Mit Strömungsgeräuschen den Wasserverlusten auf der Spur.

OVAG geht mit SmartBall-Verfahren gegen Wasserverluste vor.

Ein bisschen erinnert die kleine Metallkugel im Einsatz für die OVAG-Wasser an den Schnatz aus den Harry-Potter-Romanen. Aber eben nur ein bisschen. Sie ist nicht golden, fliegt nicht durch die Luft und ist auch nicht Teil eines erfundenen Zauberersports. Bei der OVAG heißt sie SmartBall und ist ein probates Mittel, um mithilfe von Geräuschen Undichtigkeiten in Rohrleitungen im laufenden Betrieb zu erkennen. Die OVAG nutzt das SmartBall-System, um ihre Fernwasserleitungen hochpräzise auf Lecks zu überprüfen, erneut angewandt auf einem mehrere Kilometer langen Teilstück der 2. Fernwasserleitung zwischen dem Wasserwerk in Inheiden und dem Hochbehälter Wannkopf.

Zunächst ist festzustellen, dass die Verluste im OVAG-Fernleitungsnetz sehr gering sind. Sie liegen unter zwei Prozent, erläutert Nicola Jaskulla, Betriebsingenieurin der Stabsstelle Instandhaltungsmanagement / Technisches Controlling im Wasserwerk. Bei einem insgesamt rund 250 km langen Fernwasserleitungsnetz, das rund 87.000 m3 Wasser aufnimmt und teilweise für viele Jahrzehnte in Funktion ist, sei es unvermeidbar, dass es zu Verlusten komme. Wir reduzieren diese beträchtlich und unternehmen dazu große finanzielle und technische Anstrengungen. Die Befahrung von Leitungsabschnitten mit dem SmartBall-System ist ein Teil davon. Die SmartBall-Technologie ist einzigartig und wird weltweit nur von einem einzigen Unternehmen angeboten, das seinen Sitz in Kanada hat. Das Team ist international.

Rund um den Schacht auf dem Gelände des Wasserwerks, über den der SmartBall in die Leitung eingeführt werden soll, erfolgen die Abstimmungen der Fachkräfte deshalb auf Englisch. Ein Mitarbeiter bereitet den SmartBall vor, ein weiterer die Vorrichtung zum Einbringen, ein dritter aktiviert den Laptop, mit dem das Gerät lagemäßig verfolgt und die gesammelten Daten aufgezeichnet werden. OVAG-Betriebsingenieurin Jaskulla bespricht am Telefon mit der Leitstelle Wasser der OVAG letzte Details. Ein interessierter Fernsehsender begleitet. Dann wird der SmartBall auf die Reise geschickt. Wirklich sehen kann man das natürlich nicht, aber eben hören. Der SmartBall schwimmt, getrieben durch die Fließgeschwindigkeit, in der Rohrleitung und erzeugt währenddessen Ping-Geräusche, die zusammen mit den Strömungsgeräuschen aufgezeichnet werden.

Das SmartBall – Leck- und Gasblasenerkennungssystem der Xylem GmbH – so der volle Name – ist eine freischwimmende, akustisch basierte Technologie. Sie erkennt Geräusche, die von Undichtigkeiten oder Gaseinschlüssen in druckführenden Rohrleitungen herrühren und hilft so, die genaue Stelle eines Lecks zu identifizieren. Lecks erkannte man vorher in der Regel nur, wenn Wasser an der Bodenoberfläche austrat. Jetzt durch die aufgezeichneten Störgeräusche mittels SmartBall. Gerade kleinere blieben früher oft unentdeckt, weil die Leitungen mehrere Meter tief im Boden liegen und das Wasser versickert und oftmals gar nicht an die Oberfläche gelangt, erklärt Jaskulla. Der SmartBall besteht aus einem wasserdichten Kern aus einer Aluminiumlegierung, der eine Stromquelle, einen akustischen Sensor, einen Beschleunigungssensor, ein Magnetometer, einen GPS-synchronisierten Ultraschallsender und einen Temperatursensor enthält. Eine blaue Schaumstoffhülle umschließt den Aluminiumkern, sie schützt ihn und bietet eine größere Oberfläche, mit der das Messgerät durch die Bewegung des Wassers in der Rohrleitung fortbewegt wird. Der SmartBall wird mit einer Art Greifer in eine Rohrleitung eingesetzt und an einem stromabwärts gelegenen Punkt mit einem Fangnetz wieder entnommen. Während der Inspektion wird die Position des SmartBalls entlang der Leitungstrasse verfolgt. Ein Leck erzeugt ein spezifisches akustisches Signal, ein sogenanntes Strömungsgeräusch. Während der SmartBall mit der Strömung durch die Leitung gleitet, zeichnet er kontinuierlich akustische Daten auf. Diese werden später ausgelesen und ausgewertet, um akustische Aktivitäten zu identifizieren, die mit Lecks entlang der Leitungsführung verbunden sein könnten. Wenn sich der SmartBall einem Leck nähert, steigt das erfasste akustische Signal an, beim Passieren ergibt sich ein Spitzenwert, dann nimmt das Signal mit zunehmender Entfernung wieder ab. Diese „Peaks“ werden aufgezeichnet und lassen durch die Kopplung mit den Daten des eingebauten Beschleunigungssensors und der aufgezeichneten Zeitmarken des SmartBalls genaue Rückschlüsse auf den Ort einer Leckage zu. Die Ausprägung des akustischen Signals liefert zudem Hinweise auf die Größe der Leckagen.

Der SmartBall gibt regelmäßig ein ‚Ping‘ ab, ähnlich einem Echolot in einem U-Boot, das wir entlang seines Weges empfangen können, erklärt Jaskulla. Dazu fahren die Techniker nach dem Einsetzen des Geräts die Leitung ab und machen an jedem Schachtbauwerk Station, um zu erfassen, wann der SmartBall die jeweilige Stelle passiert. So wissen wir, wo er ist. Aus der Summe dieser Daten können wir dann später ableiten, wo und in welcher Größe sich Lecks befinden. Im nächsten Schritt werden diese dann katalogisiert, klassifiziert und priorisiert, sodass deren Abdichtung schließlich in die Instandsetzungsplanungen einfließen und dann umgesetzt werden.

Auch wenn die Fernwasserleitungen der OVAG schon viele Jahrzehnte in Gebrauch sind – die 2. Fernwasserleitung wurde gebaut – sind diese im Grunde in einem sehr guten Zustand. Die 2. Fernwasserleitung besteht überwiegend aus Stahlbeton-Rohren, die eigentlich unverwüstlich sind. Neuralgische Punkte sind daher in der Regel die Dichtungen in den Verbindungen der Rohre. Dort entstehen in der Regel die Verluste, erklärt Philipp Sommerfeld, Meister Instandhaltung im Bereich Wasser. Nach rund drei Stunden erwartet das Team die Ankunft im Hochbehälter Wannkopf. Mit einem Netz wird die blaue Schaumstoffkugel aus der Leitung gefischt. Rund 7 km hat sie zurückgelegt und jede Menge Daten aufgezeichnet, die nun ausgewertet werden müssen. Wir sind zufrieden. Es ist alles nach Plan verlaufen und wir haben einen weiteren Schritt getan, um die Versorgungssicherheit mit dem Lebensmittel Nummer eins, dem Trinkwasser, für die Menschen in der Region weiterhin zu gewährleisten, resümiert Jaskulla.

OVAG-Betriebsingenieurin Nicola Jaskulla im Gespräch mit einem Xylem-Mitarbeiter, der den SmartBall mit Schaumstoff-Hülle für den Einsatz zur Leckortung vorbereitet.
OVAG-Betriebsingenieurin Nicola Jaskulla im Gespräch mit einem Mitarbeiter der Xylem GmbH, der SmartBall und Schaumstoff-Hülle vorbereitet.

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